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„Am Lieblingsplatz angekommen“

Mo. 15.02.21

Am Neujahrstag 2021 gab es eine ganz besondere Premiere: Zum ersten Mal in der Geschichte der Algunder Musikkapelle spielte eines ihres Mitglieder beim berühmtesten Klassik-Konzert der Welt mit: Wir haben uns mit Andrea Götsch nach ihrem ersten Neujahrskonzert mit den Wiener Philharmonikern unterhalten.Der folgende Text ist - in einer noch ausführlicheren Fassung - in der ersten Ausgabe des neu gestalteten "Kulturfenster" - der Fachzeitschrift des Verbandes Südtiroler Musikkapellen - erschienen. 

Andrea, du warst die erste Frau aus Südtirol in der Geschichte der Wiener Philharmoniker, die beim Neujahrskonzert mitgespielt hat. Wie hast du das Konzert erlebt und wie war die Stimmung unter euch Orchestermitgliedern – froh, dass ihr spielen dürft oder traurig, weil es vor einem leeren Saal geschieht?
Das Neujahrskonzert war ein wunderschönes Erlebnis für mich. Natürlich war es sehr schade, vor einem leeren Saal zu spielen, aber eigentlich fand ich es auch besonders, gerade in dieser seltsamen Zeit bei diesem Event mitwirken zu dürfen. Wir spürten eine ganz spezielle Einzigartigkeit, verbunden mit viel Kraft und Hoffnung, die wir versucht haben, den Menschen auf der ganzen Welt zu schicken. Dennoch wünsche ich mir, dass bei meinem nächsten Neujahrskonzert der Goldene Saal des Wiener Musikvereins wieder voll mit freudigen Zuhörern ist, die unsere Klänge direkt erfahren, applaudieren und mitklatschen, ja uns ihre Form von Liebe, Glück und Freude zurückgeben. Ich kann mir vorstellen, dass gerade bei diesem wunderbaren Konzert zum Jahresbeginn üblicherweise eine total intensive und positive Stimmung durch die Interaktion mit dem Publikum entsteht. Die riesengroße Vorfreude auf mein erstes „normales“ Neujahrskonzert kann ich also noch etwas länger als gedacht genießen … (lächelt)

Die vergangenen Monate waren für viele Menschen sehr schwierig, ja sogar existenzbedrohend. Wie kommt man als Berufsmusikerin durch eine solche Zeit?
Natürlich betraf und betrifft auch uns diese Krise sowohl künstlerisch als auch finanziell. Wir kämpfen wirklich sehr darum, alles nur irgendwie Mögliche umzusetzen. So haben wir unter besonderen und strengen Bestimmungen sogar im November unsere Reise nach Japan erfolgreich gemeistert. Wir hoffen auf diesem Wege auch anderen Orchestern Unterstützung und Hoffnung zu geben. Die Bezeichnung „Berufsmusiker“ ist aber extrem weitläufig und man kann ganz sicher nicht verallgemeinern, wie man als Musiker durch eine solche Zeit kommt: Musikschullehrer und Universitätsprofessoren mussten großteils auf Online-Unterricht ausweichen, aber vor allem für freischaffende Künstler muss diese Krise wirklich katastrophal sein. Ich hoffe sehr, dass die Politik für genug Unterstützung sorgt und uns allen generell bewusst bleibt (oder wird), dass die Kunst und Kultur enorm wichtige Bestandteile unseres Lebens sind und wir uns nicht nur um unseren Körper, sondern auch um unseren Geist kümmern müssen, um ganzheitlich gesund sein zu können.

Mit dem Auftritt beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist für dich ein Traum wahr geworden. Was sagst du einem jungen Mädchen oder Buben, der dich am Neujahrstag im Fernsehen gesehen hat und das auch einmal erleben möchte?
Wenn das dein Traum ist, dann versuch den Weg zu gehen, mit allen Höhen und Tiefen, lass dich nicht unterkriegen, arbeite an dir und glaub an dich. Gute Lehrer, Mentoren und Freunde gilt es zu finden. Saug alles auf was du von ihnen mitnehmen kannst, aber finde vor allem dich selbst, gib wirklich alles für deine Leidenschaft und vertrau dann drauf, dass schon alles so kommt wie es kommen soll. Versuch immer zu lernen, sowohl aus deinen Erfolgen als auch aus deinen Niederlagen (die schlussendlich wichtige Erfahrungen sind und als etwas Positives angesehen werden können), sammle Überzeugung und Selbstsicherheit, genieße einfach das Musizieren und alles was dich auf diesem Weg begleitet und wo er dich hinführt. Ich weiß, dass ich auch ohne diesen wunderbaren Höhepunkt des Neujahrskonzertes unendlich dankbar gewesen wäre, diesen Weg gegangen zu sein, auch wenn er ganz sicher nicht immer leicht war. Die Liebe zur Musik hat mir wahnsinnig viel Kraft gegeben, mich zu wunderbaren Menschen geführt und mir schon jetzt unzählige unvergessliche Momente beschert.

Mit Mitte 20 hast du etwas erreicht, was viele als Spitze der Karriereleiter bezeichnen würden. Gibt es noch etwas, was du unbedingt erreichen möchtest? Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Vor zehn Jahren hätte ich auf diese Frage wohl nie mit „als Mitwirkende beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker“ geantwortet — davon konnte ich bestenfalls träumen. Ich bin gespannt was sich in den nächsten zehn Jahren alles tut. Ich möchte mit diesem wunderbaren Orchester viele unvergessliche Konzertreisen und Auftritte erleben. Ich habe jetzt das Gefühl, irgendwo — ja eigentlich nicht nur irgendwo, sondern an meinem Lieblingsplatz — angekommen zu sein und das ist ganz wunderbar. Natürlich habe ich viele Ideen und bin total motiviert, mich auch in anderen Bereichen wie in meiner Lehrtätigkeit an der Universität für Musik und darstellende Kunst weiterzuentwickeln, möchte wieder mehr komponieren und dirigieren, mich mit mentalem Training, Yoga u. a. auseinandersetzen, Kammermusik betreiben, Projekte planen, Fußball spielen, einfach leben und lieben ... Ich freue mich auf alles was kommt und mehr als etwas Neues zu erreichen, möchte ich das Erreichte nun einfach mal genießen – dieses Orchester bietet ohnehin täglich neue Herausforderungen.

Interview: Bernhard Christanell

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